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Zitat von jqsch
Was mich hier interessieren würde. Hättet ihr das Bild gemacht ? Oder ist schon dieses zu voyeuristisch. ... Würde auch ohne die Geschichte das Bild sich einigermassen erklären ?
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Zur ersten Frage: Ja
Ich reise meistens in Regionen, in denen der soziale Unterschied extrem ist. Als Reisejournalist sehe ich es ein Stück weit auch als meine Aufgabe, den Rest der Welt die Augen zu öffnen, wie es dort wirklich zugeht. Zur Zeit bin ich in Rumänien. Ich kenne kein anderes Land, wo Mittelalter und Moderne in der Form distanzlos nebeneinander existieren. Das bedingt auch, dass es viel mehr Verlierer als Gewinner gibt. Wenn ich erzähle, dass ich nach Rumänien fahre, dann höre ich sehr oft Vorurteile, die durch diese Gegensätze geprägt wurden aber mangels eigenen Erfahrungen vollkommen falsch dargestellt sind.
Das versuche ich mit meinen Bildern und Reportagen ein wenig gerade zu rücken. Und ja - es fällt mir auch heute noch schwer, die Kamera auf das Elend zu richten. Vorgestern habe ich einen Straßenjungen gesehen. Er saß in einem Hauseingang mit einer Plastiktüte in der Hand. Darin ist ein Lösungsmittel und das inhaliert er regelmäßig, um Schmerzen und Hunger nicht zu spüren. Ich wollte ihn ansprechen, da kam ein SUV, hielt neben uns am Straßenrand, worauf der Junge aufsprang und zum Wagen lief. Er war schätzungsweise zwischen 12 und 14 und prostituiert sich auf der Straße.
Ich habe kein Bild gemacht, mir dafür die nächsten Stunden Gedanken darüber gemacht, was das für ein Typ im SUV sein muß und noch vielmehr, wie man Kindern wie diesen helfen kann. Ich habe mehrere Kinderprojekte in Rumänien, aber es ist immer noch zu wenig. Hier habe ich mich mal wieder richtig hilflos gefühlt.
Wenn ich solche Fotos mache, dann ist es oft schwierig, den Menschen, die man fotografiert klarzumachen, weshalb man das tut. Man muß schon sehr sensibel vorgehen, denn leicht kann man den Stolz und das bisschen Ehrgefühl verletzten, was noch da ist. Für mich ein Grund, weshalb ich mich bemühe, die Sprache zu lernen - zumindest soviel, um sowas erklären zu können.
Zur Frage 2: Nein
Ohne Erklärung transportiert das Bild nicht, was es soll. Könnte genausogut bei einer Stunt-Show in den Bavaria-Filmstudios, bei einer Fernsehproduktion o.ä. aufgenommen sein.
Zusammen mit der Erklärung wird das Bild für mich zu etwas Ganzem, was mich nachdenken lässt und mich berührt.
Auch wenn wir Fotografen ja meistens drauf aus sind, Bilder zu machen, die ohne Worte wirken. Bei manchen Bildern multiplizieren bewusst angewandte Worte die Wirkung. Hier wäre es falscher Ehrgeiz, die weg zu lassen.
Mir gefällt Dein Bild außerordentlich gut. Denn die Geschichte mit dem Suizidversuch wird durch die Perspektive und den Blick in den Himmel für mich noch bewegender.
Fred